Heft 01/2015 – Ab Seite 39

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Verfassungsrecht – Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 2 Abs. 2 S. 1, 2 iVm Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG
Verfassungsrechtlicher Anspruch auf Strafverfolgung?
BVerfG (Beschluss vom 06.10.2014 – 2 BvR 1568/12)

1. Weder Art. 2 Abs. 2 S. 1, 2 iVm Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG noch sonstigen Regelungen des Grundgesetzes lässt sich grundsätzlich ein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter entnehmen.
2. Etwas anderes kann allerdings bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheit der Person der Fall sein, bei Delikten von Amtsträgern oder bei Straftaten, bei denen sich die Opfer in einem „besonderen Obhutsverhältnis“ der öffentlichen Hand befinden. In solchen Fällen kann, gestützt auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 , 2 iVm Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, ein Tätigwerden des Staates und seiner Organe verlangt werden. Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 GG iVm Art. 2 Abs. 2 S. 1, 2 und Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG auch nahen Angehörigen zustehen.
3. Besteht insofern ausnahmsweise ein verfassungsrechtlicher „Anspruch auf sorgfältige und effektive Strafverfolgung“, bedeutet dies hingegen nicht, dass dieser in Rede stehenden Verpflichtung stets nur durch Erhebung einer An-klage genügt werden kann. Die (verfassungsrechtliche) Verpflichtung zur effektiven Strafverfolgung bezieht sich nämlich auf das Tätigwerden aller Strafverfolgungsorgane, sodass auch etwa eine Einstellungsentscheidung diesen Anforderungen genügt, sofern diese auf Grundlage einer detaillierten bzw. vollständigen Dokumentation des Ermittlungsverlaufs und einer nachvollziehbaren Begründung erfolgt.
(Leitsätze des Bearbeiters)

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