Heft 09/2021 – Ab Seite 344

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SchuldR BT / BGB AT – §§ 434 Abs. 1 S.2 Nr. 2, 437, 439, 133, 157 BGB
Zur Reichweite der Nacherfüllung, wenn die Kaufsache durch ein Nachfolgemodell ersetzt worden ist
BGH (Urteil vom 21.07.2021 – VIII ZR 254/20)

1. Einem Fahrzeug fehlt die Eignung für die gewöhnliche Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, wenn es bei Übergabe an den Käufer mit einer – den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierenden – Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG versehen ist, die gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässig ist. Denn in einem solchen Fall besteht eine (latente) Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde, so dass der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 [= Kiss 2019, 214 ff.]).
2. Die Lieferung einer mangelfreien Sache gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB beschränkt sich nicht zwangsläufig auf eine mit dem Kaufgegenstand (abgesehen von der Mangelhaftigkeit) identische Sache. Vielmehr hängt die Möglichkeit einer Ersatzbeschaffung bei Unmöglichkeit der Lieferung einer dem Kaufgegenstand vollständig entsprechenden (mangel- freien) Sache im jeweiligen Einzelfall entscheidend davon ab, ob und wodurch nach dem durch interessengerechte Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien (§§ 133, 157 BGB) bei Vertragsschluss eine Nachlieferung in Betracht kommen sollte (im Anschluss an Senatsurteile… vom 11. Dezember 2019 – VIII ZR 361/18, BGHZ 224, 195 Rn.41; Senatsbeschluss vom 8.Januar 2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn 30 ff…). Entscheidend ist dabei letztlich, ob und in welchem Umfang der Verkäufer – nach dem im jeweiligen Fall zu ermittelnden übereinstimmenden Willen der Parteien – bei Vertragsschluss eine Beschaffungspflicht für den Fall einer Nacherfüllung übernommen hat (im Anschluss an Senatsurteile vom 17. Oktober 2018 – VIII ZR 212/17, BGHZ 220, 77 Rn. 20; vom 24. Oktober 2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 40; vom 11. Dezember 2019 – VIII ZR 361/18, aaO; Senatsbeschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, aaO).
3. Ist lediglich ein Nachfolgemodell der erworbenen Sache (insbesondere eines Fahrzeugs) lieferbar, kann bei der gebotenen nach beiden Seiten interessen- gerechten Auslegung die den Verkäufer eines Verbrauchsguts treffende Beschaffungspflicht im Hinblick darauf, dass der Verbraucher eine Nutzungsentschädigung für die fortlaufend an Wert verlierende mangelhafte Kaufsache nicht zu zahlen hat, von vornherein nicht zeitlich unbegrenzt gelten. Eine Austauschbarkeit von Kaufgegenstand und Ersatzsache ist beim Verbrauchsgüterkauf – vor allem beim Kauf von Fahrzeugen, die bereits nach kurzer Zeit einen deutlichen Wertverlust erleiden – grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn der Verbraucher sein Nachlieferungsbegehren innerhalb eines in der Länge der regelmäßigen kaufrechtlichen Verjährungsfrist (zwei Jahre – § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB) angelehnten Zeitraums – beginnend ab dem für die Willensbildung maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses – geltend macht (Fortentwicklung von Senatsbeschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, aaO).
(Amtliche Leitsätze des Gerichts)

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