1. Der Begriff der öffentlichen Fürsorge in Art. 74 I Nr. 7 GG setzt voraus, dass eine besondere Situation zumindest potenzieller Bedürftigkeit besteht, auf die der Gesetzgeber reagiert. Dabei genügt es, wenn eine – sei es auch nur typisierend bezeichnete und nicht notwendig akute – Bedarfslage im Sinne einer mit besonderen Belastungen einhergehenden Lebenssituation besteht, auf deren Beseitigung oder Minderung das Gesetz zielt.
2. Will der Bundesgesetzgeber verschiedene Arten von Leistungen der öffentlichen Fürsorge begründen, muss grundsätzlich jede Fürsorgeleistung für sich genommen den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG genügen. Das Betreuungsgeldgesetz genügt dem nicht. Insbesondere ist es nicht zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse erforderlich. Dies wäre nur der Fall, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinanderentwickelt hätten oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnete (wie BVerfGE 106, 62 [144 ] = NJW 2003, 41; BVerfGE 111, 226 [253] = NJW 2004, 2803; BVerfGE 112, 226 [244] = NJW 2005, 493).
3. Die Erforderlichkeit der Bundesgesetzgebung iSd Art. 72 II GG hinsichtlich eines Instruments der öffentlichen Fürsorge kann sich nur dann auf ein für sich genommen nicht nach Art. 72 II GG erforderliches Förderinstrument erstrecken, wenn die Instrumente objektiv in einem sachlichen Unteilbarkeitsverhältnis stehen.
(Amtliche Leitsätze des Gerichts)
Heft 09/2015 – Ab Seite 374
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Verfassungsrecht – Art. 72 Abs. 2, Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG
Verfassungsrechtliche Überprüfung eines bundesweiten Betreuungsgeldes
BVerfG (Beschluss vom 27.07.2015 – 1 BvF 2/13) NJW 2015, 2399
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