Heft 02/2021 – Ab Seite 79

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Verwaltungsrecht – § 32 IfSG; § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG, Art. 12 Abs. 1 GG
Prinzipale Normenkontrolle gegen die „Neunzehnte Coronaverordnung“
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen (Urteil vom 09.11.2020 – 1 B 339/20)

1. Die Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit einer gesetzlichen Regelung lassen sich nicht allgemein festlegen. Je schwerwiegender die grundrechtsrelevanten Auswirkungen für die von einer Rechtsverordnung potentiell Betroffenen sind, desto strengere Anforderungen gelten für das Maß der Bestimmtheit sowie für Inhalt und Zweck der erteilten Ermächtigung.
2. Der Vorbehalt des Gesetzes erschöpft sich nicht im dem Erfordernis einer Rechtsgrundlage für grundrechtswesentliche Maßnahmen, sondern setzt überdies voraus, dass die wesentlichen Fragen durch den Gesetzgeber selbst entschieden werden. Die Anforderungen an die Regelungsdichte richten sich insoweit nach der Eigenart und dem Sachbereich des Regelungsgegenstandes.
3. Der Sinn gefahrenabwehrrechtlicher Generalklauseln ist es, auf atypische Gefahrenlagen reagieren zu können. Ein Rückgriff hierauf ist daher unwirksam, wenn aus einer atypischen eine typische Gefahrenlage geworden ist.
4. Das Zitiergebot gem. Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG dient der Sicherung von Grundrechten, die aufgrund eines speziellen – vom Grundgesetz vorgesehenen – Gesetzesvorbehalt über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden können. Ausgenommen sind andersartige grundrechtsrelevante Regelungen, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden – im Grundrecht vorgesehenen – Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenbestimmungen trifft, denn der Gesetzgeber ist sich solchen Konstellationen seines grundrechtsrelevanten Verhaltens bewusst, so dass die Warn- und Besinnungsfunktion des Zitiergebots nicht betroffen ist und dessen Erfordernis eine bloße Förmlichkeit darstellen würde.
(Amtliche Leitsätze des Gerichts)

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