Heft 01/2022 – Ab Seite 1

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BGB AT / SchuldR AT / BT / HGB – §§ 13, 14, 281, 434, 437, 477 BGB, 344 HGB
Mal wieder: Probleme mit der Reichweite des § 477 BGB – „Ausstrahlungswirkung“ und „Fortwirkung“
BGH (Urteil vom 10.11.2021 – VIII ZR 187/20)

1. Die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig gelten, findet im Rahmen der Einordnung des rechtsgeschäftlichen Handelns eines Kaufmanns als Verbraucher- oder Unternehmerhandeln nach §§ 13, 14 Abs. 1 BGB jedenfalls dann keine Anwendung, wenn es sich bei dem Kaufmann um eine natürliche Person (Einzelkaufmann) handelt (Fortentwicklung des Senatsurteils vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 37; Abgrenzung zu BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 – VIII ZR 215/10, NJW 2011, 3435 Rn. 19; vom 9. Dezember 2008 – XI ZR 513/07, BGHZ 179, 126 Rn. 22).
2. Die Vermutung des [§ 477 BGB]… greift nur dann ein, wenn der Käufer darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass sich an der Kaufsache innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung) gezeigt hat, der – unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen einer Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründete (im Anschluss an Senatsurteile vom 12. Oktober 2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36; vom 9. September 2020 – VIII ZR 150/18, NJW 2021, 151 Rn. 27 ff.). Kommt als Ursache für eine festgestellte Mangelerscheinung (auch) ein Umstand in Betracht, der eine Haftung des Verkäufers nicht zu begründen vermag – wie das bei gewöhnlichem Verschleiß an nicht sicherheitsrelevanten Teilen eines Gebrauchtwagens regelmäßig der Fall ist…, ist dieser Beweis erst er bracht, wenn feststeht, dass die Ursache ebenfalls in einem Umstand liegen kann, der – sofern er dem Verkäufer zuzurechnen wäre – dessen Haftung auslöste.
3. Der Regelung des [§ 477 BGB]… ist (jedenfalls) in den Fällen, in denen der Käufer innerhalb der Sechsmonatsfrist des [§ 477 BGB] aF alle Voraussetzungen für die Entstehung des betreffenden Mangelrechts geschaffen und dieses gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht hat, eine „Ausstrahlungswirkung“ dergestalt beizumessen, dass bezogen auf diejenigen – für die Durchsetzung des Mangelrechts neben dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs jeweils zusätzlich maßgeblichen – späteren Zeitpunkte, die innerhalb des Sechsmonatszeitraums liegen (etwa der Zeitpunkt des Zugangs des Gewährleistungsbegehrens), ebenfalls die Darlegung und der Nachweis des Vorhandenseins einer Mangelerscheinung ausreicht. Darüber hinaus wirkt die Bestimmung des [§ 477 BGB]… in den genannten Fällen dahingehend fort, dass der Käufer – soweit er auch das Vorliegen eines Mangels zu Zeitpunkten, die außerhalb der Sechsmonatsfrist des [§ 477 BGB] aF liegen (etwa im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung), zu beweisen hat – ebenfalls lediglich das Fortbestehen der jeweiligen nachweislich innerhalb der Frist des [§ 477 BGB]… aufgetretenen Mangelerscheinung bis zu diesen Zeitpunkten, nicht aber deren Verursachung durch den Verkäufer nachzuweisen hat.
4. Der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB kann nach wie vor anhand der sogenannten fiktiven Mangelbeseitigungskosten bemessen werden (im Anschluss an BGH, Urteil vom 12. März 2021 – V ZR 33/19, NJW 2021, 1532 Rn. 11, zur Veröffentlichung in BGHZ 229, 115 bestimmt; Beschluss vom 13. März 2020 – V ZR 33/19, ZIP 2020, 1073 Rn. 41 ff. mwN; Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 31 ff.).
(Amtliche Leitsätze des Gerichts)

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